Ein weiteres Zeichen gegen das Vergessen“

 

Stadtverwaltung bezieht mit der Stele „Unser Auftrag!“ Position - konzipiert von der Künstlerin Gudrun Schön-Stoll, umgesetzt von Bildhauerin Birgit Dursy, platziert im Domhof

 

von Silke Beckmann in der LAZ,  Freitag, dem 28. Oktober 2022

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unser Auftrag“ ist die schlanke weiße Marmor-Stele benannt, die an das Schicksal der jüdischen Bürger erinnern und damit ein weiteres Zeichen gegen das Vergessen setzen soll. Platziert ist sie im Aufgangsbereich zu Veranstaltungsräumen und Ratssaal im Domhof und damit dem meistfrequentierten Ort des Rathauses: „Unübersehbar, unverrückbar, unmissverständlich“, betonte Bürgermeister Stefan Schmutz im Rahmen der gut besuchten Feierstunde, in der das von Künstlerin und Ideengeberin Gudrun Schön-Stoll konzipierte und von Steinmetz- und Steinbildhauermeisterin Birgit Dursy realisierte Kunstwerk öffentlich präsentiert wurde.

 

Die Botschaft sei zeitlos und werde an Relevanz nichts einbüßen, sagte Schmutz angesichts des in Verantwortung vor der Geschichte deutlichen Einstehens für ein „Nie wieder“ und für ein gleichberechtigtes, friedliches Miteinander in einer freiheitlichen Demokratie. Und so war auch das Datum der Präsentation bewusst gewählt. Denn genau 82 Jahre zuvor hatte die Geschichte jüdischen Lebens auch in Ladenburg geendet. Am 22. Oktober 1940 wurden die 27 letzten jüdischen Mitbürger in das Konzentrationslager nach Gurs deportiert, von denen nur acht Menschen den Holocaust überlebten. „Kein Gemeindemitglied kehrte dauerhaft nach Deutschland zurück“, erinnerte der sichtlich bewegte Bürgermeister. Heute erinnern Stolpersteine und Gedenktafeln an sie.

 

Solche Erinnerungssteine wurden im Jahr 2006 auch vor der Weinheimer Straße 20 verlegt, wo Gudrun Schön-Stoll mit ihrer Familie lebt, die durch diese Aktion überhaupt erst von der Geschichte ihres Hauses erfuhr. Denn hier wohnten bis zu ihrer Deportation die jüdischen Familien Krell und Löwenfels. Tief und nachhaltig hat sich Schön-Stoll der Tag der emotionalen Stolperstein-Verlegung eingeprägt, zu der eigens die Krell-Töchter Lea Weems und Ruth Steinfeld mit ihren Familien aus Amerika angereist waren. „Wir werden diesen Tag nie vergessen“, sagte die Künstlerin in Erinnerung an dieses Zusammensein ohne jegliche Schuldzuweisung oder Feindseligkeit. Sie selbst habe ein „beklemmendes Gefühl der Schuld“ verspürt, doch die beiden Frauen hätten einen „wunderbaren Schritt gemacht, indem sie an das Gute glaubten“ und mit ihrer Rückkehr an den Ort voller schmerzlicher Erfahrungen allen die Chance gaben, „zu zeigen, dass wir anders sind“ und „alles dafür tun, dass das, was die Nationalsozialisten verbrochen haben, nicht wieder vorkommen wird“.

 

Schön-Stoll hat dieses wichtige Thema nicht losgelassen, fortan begleitete sie die Frage nach einem zugleich erinnernden wie auch auffordernden Denkmal für die Opfer, und schließlich verband sie ihren Entwurf mit einer nun auf der Stele eingebrachten Poesie, die verdeutlicht, dass Nächstenliebe und Respekt unabdingbare Voraussetzung für ein friedvolles Miteinander sind: „Was geschehen ist, ist geschehen. Es gibt keine Wiedergutmachung, die wiedergutmachen kann. Allein den Versuch kann es geben. Auf dass er glückt und ansteckt und sich manifestiert in den Genen.“

 

Die von Brigitte Walkenbach gefertigte englische Übersetzung befindet sich auf einer daneben angebrachten Tafel. Die weiße Farbe des grob geschliffenen Marmors stehe für die Unschuld der Opfer, wie die Künstlerin erklärte, die aufliegenden Steine in den Farben Schwarz, Rot, Gold symbolisieren Deutschland und seine Bevölkerung.

 

Bürgermeister Schmutz hatte Gudrun Schön-Stoll als „meinungsstarke Bürgerin und zugleich anerkannte Künstlerin und Poetin“ kennengelernt, „die der Stadt etwas sagen möchte und auch etwas zu sagen hat“. Als sie ihm Mitte letzten Jahres erstmals ihr Vorhaben unterbreitete, war eine Situation wie die derzeitige, die „unser liberales und demokratisches Wertesystem in seinen Grundfesten herausfordern würde“, nicht vorstellbar.

 

In dieser Hinsicht sei das weit über seine 600 Kilogramm hinaus gewichtige Werk „Unser Auftrag“ aktueller denn je. Es gehe um Pflege und Zusammenhalt einer sich gegen Hass und Hetze, Spaltung und Intoleranz immunisierenden Stadtgesellschaft: „Es geht um einen Auftrag, die Verantwortung, die man hat, zu kennen, zu bewahren und weiterzugeben. Es geht um Demokratievorsorge.“

 

Schmutz dankte insbesondere dem Arbeitskreis Jüdische Geschichte für die intensive Aufarbeitung jüdischen Lebens in Ladenburg, namentlich Ingrid Wagner und

 

Dr. Jürgen Zieher, die sich unermüdlich gegen das Vergessen einsetzten. Die Basis der Erinnerungskultur habe sich vorrangig auf bürgerschaftliches Engagement gegründet, wichtig war dem Bürgermeister, dass die Stadtverwaltung dies nicht nur unterstützt, sondern selbst Position bezieht.

 

Ingrid Wagner oblag schließlich die Enthüllung der Stele im Rahmen der von Ira Stoll (Geige) und Barbara Instinsky (Klavier) musikalisch begleiteten Feier. „Ich finde es fantastisch“, sagte die Arbeitskreis-Sprecherin über das Kunstwerk, „das bedeutet mir ganz viel.“ Schließlich trage es, genauso wie das Denkmal am Eingang zum Jüdischen Friedhof sowie die mit einer Tora versehene Sandstein-Stele auf dem Marktplatz, dem Ort der damaligen Deportation, dazu bei, „dass noch mehr Menschen mit diesem Thema konfrontiert werden und sich ihre Gedanken machen“. Wie sie berichtet, ist auch das Interesse an Führungen durch das jüdische Ladenburg nach wie vor ungebrochen. Den Entwurf für „Unser Auftrag“ habe ihr Gudrun Schön-Stoll schon vor Jahren gezeigt: „Gut, dass sie drangeblieben ist.“