Yasmina Reza

 

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Yasmina Reza ist eine der erfolgreichsten Theaterautorinnen der Gegenwart.

 

Der globale Reza-Hype setzte 1994 mit der Uraufführung ihres Drei-Männer-und-ein-weißes-Gemälde-Stücks „Kunst“ ein. Diese hinreißende Komödie, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde, machte Reza zur meist gespielten Theaterautorin. Der „Gott des Gemetzels“, uraufgeführt 2006, eroberte wie „Kunst“ in kürzester Zeit die Bühnen der Welt. Auch dieses Vier-Personen-Stück über zwei Ehepaare, deren Kinder sich in der Schule geprügelt haben, wurde mehrfach ausgezeichnet. Roman Polanskis Verfilmung aus dem Jahr 2013 mit der internationalen Starbesetzung Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly, für die Yasmina Reza das Drehbuch schrieb, brachte ihr den französischen Film-Oscar CÉSAR ein.

 

Ihr neuestes Werk, der Roman „Serge“ wurde direkt nach seinem Erscheinen auf Deutsch Anfang 2022 zum Spiegel-Bestseller.

 

Reza möchte nicht für das, was sie über sich oder ihr Werk sagt, bewertet werden, sondern für das Werk selbst, weswegen sie äußerst selten Interviews gibt und weswegen ihre Äußerungen auch mit Vorsicht zu betrachten sind. Einer intellektuellen Haltung versucht sie sich zu entziehen. Nichtsdestotrotz gibt es sehr schöne, sehr passende Äußerungen von ihr, etwa:

 

... ich schreibe nicht, um Geschichten zu erzählen. Das habe ich noch nie gemacht. Noch nicht einmal in meinen Stücken erzähle ich Geschichten. Ich erzähle Situationen, Atmosphären …, was erzähle ich? Ich erzähle von der Gewalt der Gefühle, von der Niederlage des Augenblicks, also, ich weiß nicht genau, wie ich das erklären soll, aber sicherlich erzähle ich keine Ereignisse, keine Geschichte, keinen Ablauf in der Zeit, nie habe ich so etwas gemacht. Also gilt für meine Literatur nicht das klassische Argument des Schreibens, dass man nämlich etwas erzählen will. Mein Schreiben ist eher ein Blick …, ein Versuch jedenfalls, eine gewisse Art von Blick auf das Schicksal der Menschheit und die Komplexität des Lebens zu werfen. Und dieser Blick ist wesentlich ein Blick des Mitgefühls.“

 

Lange war Yasmina Reza an der Stellung der Frau in der modernen und postmodernen Gesellschaft nicht interessiert, sie selbst definierte sich als Schriftsteller männlich, sagte von sich selbst, dass sie „männlich“ schreibt, Männer hätten einen größeren Wortschatz als Frauen, (Anm. BP: ???!...) und die großen einsamen Helden der Weltliteratur seien stets Männer gewesen. Das kann kritisch gewertet werden – aber es muss auch als ein Weg verstanden werden, sich in der männlich dominierten Welt der Literatur zu behaupten, und das ist ihr mit großem Erfolg gelungen. Von sich selbst sagte sie einmal: „Ich habe mich nie als Frau gesehen.“

 

Tatsächlich schreibt sie lange aus der Perspektive des Mannes und konzentriert sich auf Männerfiguren, Frauen bleiben tendenziell charakterlose, geschichtslose Wesen, Phantome, deren schattenhaftes Leben von dem großen anderen, von einem dominanten Mann in seiner Funktion als Vater, Bruder, Angebeteter und Geliebter, Ehemann, Lehrmeister und Philosoph und künstlerisches Vorbild dominiert wird.

 

Die einzigen eindrucksvoll gestalteten und bedeutsamen weiblichen Charaktere sind ältere Damen. In den wenigen Fällen, in denen Reza der Stimme der Frau bisher Bedeutung verlieh, dominierte die Perspektive des Alters, was auf die zentrale Rolle des Alters in Rezas literarischem Gesamtwerk verweist. Sie bewertet es positiv und räumt ihm Raum, Macht und Bedeutung ein.

 

In einem Interview erklärte Reza, ihr „alter Blick“ auf die Welt resultiere aus dem Bewusstsein um die Unausweichlichkeit des Todes und um die Unerbittlichkeit der Zeit. Dies seien die zentralen Themen des Lebens und ihrer Literatur. Interessant ist, dass sie über sich sagt: „Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber ich habe Angst davor, alt zu werden.“ Insofern kann die literarische Beschäftigung mit dem Alter als Auseinandersetzung mit dieser Angst verstanden werden.

 

Yasmina Reza, geboren 1959 in Paris, ist ausgebildete Schauspielerin und spielte sechs Jahre lang an verschiedenen Theatern, ehe ihre Lust zu schreiben erwachte. Das Schauspieler(in)dasein ist auch ein Thema in Rezas Werk....

 

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Anm. Birgit Podhorny:

 

Dieser Text wurde vor der Vorstellung von "Annemarie die Schönheit" von Carolin Grein -Theaterpädagogin am Pfalzbau-Theater - vorgetragen und uns freundlicherweise in Kopie auf unsere Bitte hin zur Veröffentlichung hier auf dieser Seite überlassen. Dankeschön!

 

1. April 2023:

In der ARD Mediathek kann man eine sehr schöne Kurzdoku über YR sehen: "ttt-titel-thesen-temperamente: Göttin des Gemetzels - Yasmina Reza im Porträt".

Zusammenfassung folgt...